Im April und Mai fühlt sich der Garten oft an wie ein Festival: Obstbäume in voller Blüte, Löwenzahnwiesen in Gelb, und über allem liegt ein gleichmäßiges Summen. Bienen, Hummeln und Schwebfliegen haben jetzt Hochsaison – Nektar und Pollen gibt es im Überfluss. Und dann, plötzlich, wird es ruhiger.
Genau hier beginnt ein unsichtbares Problem: die sogenannte June Gap. Eine Phase im Frühsommer, in der die Blütenfülle abrupt einbricht und für Bestäuber eine gefährliche Nektarlücke entsteht. Während wir die ersten warmen Sommertage genießen, kämpfen viele Völker mit knapper Versorgung.
Die gute Nachricht: Du kannst enorm viel tun, um diese kritische Zeit zu überbrücken – mit einem wirklich bienenfreundlichen Garten und durchdachten Bienenfutter-Pflanzen. Und ja, auch mit einem kleinen Zuckerwasser-Trick, der im Notfall tatsächlich ein Leben retten kann.
Was genau ist die June Gap?
Die June Gap (wörtlich: „Juni-Lücke“) beschreibt eine Zeit im späten Frühling bis frühen Sommer, in der das Blütenangebot stark zurückgeht:
- Frühblüher wie Obstbäume, Löwenzahn, Ahorn und viele Sträucher sind bereits verblüht.
- Sommerblumen, Stauden und viele Wildpflanzen stehen aber noch in den Startlöchern.
- Dazwischen klafft eine Lücke, in der es deutlich weniger Nektar und Pollen gibt.
Für uns ist das oft kaum sichtbar – für Honig- und Wildbienen dagegen kann diese Phase zur Belastungsprobe werden. Die Brut will gefüttert werden, der Flug kostet Energie, aber das „Buffet“ ist plötzlich halbleer.
Warum die June Gap für Bienen so kritisch ist
Gerade im Frühsommer läuft im Bienenvolk alles auf Hochtouren:
- Die Königin legt viele Eier, die Brut braucht Eiweiß (Pollen).
- Die Sammelbienen fliegen weite Strecken, um Futterquellen zu finden.
- Nektar wird zu Honig verarbeitet – die Vorräte sollen den Sommer und darüber hinaus sichern.
Wenn dann ausgerechnet in dieser Phase eine Nektarlücke entsteht, passiert Folgendes:
- Sammelbienen kehren erschöpft zurück oder brechen unterwegs zusammen.
- Völker müssen auf Reserven zurückgreifen, statt weiter Vorräte anzulegen.
- Wildbienen, die oft nur kurz leben und keinen Vorrat anlegen, finden schlicht nicht genug.
Die June Gap ist also nicht nur ein „kleines Loch im Blühkalender“, sondern eine echte Stresssituation. Genau hier setzt nachhaltiges Gärtnern an – mit einem gezielt geplanten, bienenfreundlichen Garten.
Erste Hilfe: Erschöpfte Bienen retten – aber richtig
Vielleicht hast du es schon erlebt: Eine Biene liegt scheinbar reglos auf deiner Terrasse oder am Balkonboden, bewegt sich nur noch minimal. Viele halten sie dann für „tot“, dabei ist sie oft einfach nur völlig erschöpft.
In solchen Fällen kann ein kleiner Zuckerwasser-Trick helfen. Aber wichtig: Es geht hier um Einzelfälle – und nicht darum, ganze Völker oder Nester zu füttern.
Zuckerwasser statt Honig – und nur als Notfallhilfe
Honig ist für fremde Bienen problematisch, weil er Krankheitskeime übertragen kann. Darum gilt: niemals Honig anbieten, auch keinen „Bio-Honig von nebenan“. Wenn du wirklich helfen möchtest, dann mit einer einfachen Zuckerlösung.
So gehst du vor:
- Einen Teelöffel normalen Haushaltszucker mit etwas Wasser mischen (etwa 2 Teile Zucker, 1 Teil Wasser).
- Gut rühren, bis sich der Zucker weitgehend gelöst hat.
- Die Lösung nicht in eine tiefe Schale geben, sondern auf einen Löffel, einen Kronkorken oder auf ein kleines Stück Karton tropfen.
- Die erschöpfte Biene vorsichtig in die Nähe des Tropfens setzen, ohne sie zu bedrängen.
Trinkt sie, kannst du oft zusehen, wie sie nach einigen Minuten wieder aktiver wird – und irgendwann davonfliegt. Ein kleiner Schluck Bienenfutter in Form von Zuckerwasser kann so tatsächlich den Unterschied machen.
Wichtig ist aber: Dieser Trick ist für Einzeltiere gedacht, nicht für „Massenversorgung“. Die eigentliche Lösung liegt nicht im Zucker, sondern im Garten.
Die eigentliche Rettung: Einen bienenfreundlichen Garten durch die Nektarlücke führen
Zuckerwasser hilft im Notfall, aber es ersetzt nicht das, was Bienen wirklich brauchen: lebendige, blühende Landschaften. Und genau da kommt dein Garten ins Spiel.
Ein bienenfreundlicher Garten:
- bietet vom zeitigen Frühling bis in den Herbst hinein durchgängiges Blütenangebot
- enthält heimische und nektarreiche Pflanzen
- verzichtet auf Insektizide und giftige Spritzmittel
- stellt auch Wasserstellen und kleine Rückzugsorte bereit
Die June Gap ist dabei der perfekte Moment, um bewusst gegenzusteuern. Wenn du deinen Blühkalender im Blick hast, kannst du diese kritische Phase mit den richtigen Pflanzen elegant überbrücken.
Die 5 wichtigsten Pflanzen gegen die June Gap
Welche Pflanzen helfen besonders gut, die Nektarlücke im Frühsommer zu schließen? Hier kommen fünf Kandidaten, die Bienen lieben – und die sich ideal in einen nachhaltigen Garten integrieren lassen.
1. Phacelia – der „Bienenfreund“ im wahrsten Sinne des Wortes
Phacelia wird nicht umsonst im Volksmund „Bienenfreund“ genannt:
- Sie liefert große Mengen Nektar und Pollen.
- Sie wächst schnell und lässt sich direkt ins Beet oder in freie Flächen säen.
- Ideal sind Aussaaten im Frühling, damit sie zur June Gap schon blüht.
Phacelia passt gut in Gemüsebeete, als Gründüngung oder in Mischungen für bunte Blühflächen.
2. Borretsch – blauer Stern für hungrige Bestäuber
Borretsch ist mit seinen himmelblauen Sternblüten ein Magnet für Bienen und Hummeln:
- Blüht über einen langen Zeitraum.
- Lässt sich leicht aussäen und versamt sich oft von selbst.
- Blüten und junge Blätter sind essbar und passen in die Küche.
Ideal für alle, die Bienenfutter und Naschgarten verbinden möchten.
3. Ringelblumen – unkompliziert und immer im Dienst
Ringelblumen gehören fast in jedes Beet:
- Sie sind robust, kommen mit ärmeren Böden zurecht.
- Blühen dauerhaft, wenn du Verblühtes entfernst.
- Versamen sich gern selbst und tauchen im nächsten Jahr wieder auf.
Gleichzeitig unterstützen sie Boden und Nachbarpflanzen – perfekt für nachhaltiges, ökologisches Gärtnern.
4. Katzenminze – Summen im Blütenmeer
Katzenminze (Nepeta) ist eine Staude, die Bienen und andere Bestäuber magisch anzieht:
- Blüht oft schon früh und lange.
- Lässt sich gut mit Rosen, Stauden und im Vorgarten kombinieren.
- Ein Rückschnitt nach der ersten Blüte kann eine zweite Blütenwelle anregen.
Sie verbindet optische Wirkung mit hohem Wert für einen bienenfreundlichen Garten.
5. Oregano oder Dost – Kräuterbeet als Bienenbuffet
Oregano (wilder Dost) ist nicht nur ein Küchenkraut, sondern auch ein fantastisches Bienenkraut:
- Seine rosa bis lilafarbenen Blüten werden im Sommer dicht von Insekten umsummt.
- Ideal für trockene, sonnige Standorte, Steingärten, Kräuterbeete.
- Du erntest gleichzeitig würzige Blätter für die Küche.
So wird dein Kräuterbeet zur Notfallkantine in der June Gap.
So planst du deinen Garten gegen die Nektarlücke
Ein paar Pflanzen reichen, aber mit einem klaren Plan wird dein Garten zum echten Rettungsnetz.
Blühkalender statt Zufall
Überlege dir beim Pflanzen:
- Was blüht früh (Weiden, Obstbäume, Zwiebelblumen)?
- Was blüht im Frühsommer (z. B. Phacelia, Borretsch, Salbei, Katzenminze)?
- Was trägt den Sommer (Lavendel, Sonnenhut, Thymian, Disteln)?
- Was übernimmt den Herbst (Astern, Fetthenne, Efeu)?
Ziel ist eine Staffelblüte: vom März bis in den Oktober. Die June Gap ist dann nicht mehr als eine Lücke – sondern nur noch eine Phase, in der bestimmte Pflanzen besonders wichtig werden.
Auch Balkon und Terrasse zählen
Du hast keinen großen Garten? Macht nichts. Auch auf Balkon und Terrasse kannst du Bienen retten:
- Töpfe mit Borretsch, Kapuzinerkresse, Ringelblume, Kräutern wie Oregano und Thymian.
- Balkonkästen mit naturbelassenen Sommerblumen statt steriler Zuchtformen.
- Eine kleine Wasserschale mit Steinen als sichere Tränke.
Jeder Quadratmeter Blüte hilft, egal ob im Reihenhausgarten oder im 4. Stock.
Mehr als Blüten: Wasser, Schutz und Verzicht auf Gifte
Ein wirklich bienenfreundlicher Garten besteht nicht nur aus bunten Blumen.
Wasserstellen anlegen
Im Sommer brauchen Bienen Wasser:
- Flache Schale mit Steinen oder Murmeln, damit sie nicht ertrinken.
- Regelmäßig frisches Wasser, halbschattiger Standort.
- Keine Chemie, keine Düngerreste in der Nähe.
Gerade in der June Gap, wenn es trocken wird, sind solche Wasserplätze überlebenswichtig.
Gifte weglassen, Nützlinge fördern
Wer Bienen retten möchte, kommt an einem Punkt nicht vorbei: ohne Insektizide gärtnern.
- Keine Spritzmittel auf Blüten oder in deren Nähe.
- Auf natürliche Methoden setzen: Nützlinge, Mischkultur, Handarbeit.
- Wilde Ecken zulassen, in denen Insekten und Kleintiere überwintern können.
Je vielfältiger dein kleiner Naturraum, desto stabiler wird das Gleichgewicht – und desto weniger musst du eingreifen.
Fazit: Die June Gap als Chance begreifen
Die June Gap ist auf den ersten Blick ein Problem: eine Nektarlücke, in der Bienen plötzlich zu wenig Bienenfutter finden. Doch sie ist auch eine Einladung, bewusster zu gärtnern.
Wenn du:
- im Notfall einer erschöpften Biene mit etwas Zuckerwasser hilfst
- gezielt Pflanzen setzt, die diese Lücke überbrücken
- deinen Garten in einen vielfältigen, bienenfreundlichen Garten verwandelst
dann wird aus einer kritischen Phase ein Moment der Verantwortung – und eine echte Erfolgsgeschichte. Du wirst merken: Je mehr du auf Blüten, Struktur und Verzicht auf Gifte setzt, desto lauter wird das Summen zurückkehren. Nicht nur im Frühling, sondern auch in der stilleren Zeit dazwischen.
Am Ende ist es erstaunlich, wie viel Wirkung ein paar gesäte Quadratmeter, ein Wasserschälchen und ein bisschen Wissen über die June Gap haben können. Für uns ist es ein Gartentrend – für die Bienen kann es der Unterschied zwischen Mangel und Fülle sein.